Ansprache zum Neujahrsempfang 2019 der Stadt Forchheim

Dr. Uwe Kirschstein

20. Januar 2019

Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Festgäste,

zunächst darf ich mich bei Ihnen, Herr Dr. Maier, ganz herzlich für diesen warmen Willkommensgruß an diesem kühlen Winterabend bedanken. Bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf mich bedanken, dass Sie unserer Einladung so zahlreich gefolgt sind. Denn damit bringen Sie Ihre Wertschätzung für das vielfältige Engagement des Förderkreises Kaiserpfalz als auch der Stadt Forchheim zum Ausdruck. Dafür herzlichen Dank.

Im letzten Jahr hatte ich bei unserem gemeinsamen Neujahrsempfang, erstmals die Gelegenheit genutzt, einen politischen Ausblick zu geben. Der Anlass dafür war ursprünglich meine fehlende Jahresschlussansprache. Denn kein Ausblick kann ohne einen, wenn auch nur kurzen, Rückblick gelingen. In diesem Jahr aber haben wir andere Rahmenbedingungen: den Rückblick auf das Jahr 2018 hatte ich bereits in der letzten Stadtratssitzung (im Dezember 2018) gegeben. Dennoch, das darf ich verraten, hatte ich bei meiner Vorbereitung auf den heutigen Abend kurz meine letztjährige Rede hervorgeholt. Wir wollen aber gemeinsam nur nach vorne auf das Jahr 2019 schauen. Deshalb will ich inhaltlich auch nicht an meine Rede vom letzten Jahr anknüpfen.

Was steht also in diesem Jahr an?

Gerade einmal 20 Tage alt, ist das Jahr schon durchaus turbulent gestartet: vor Ort genauso wie in Europa und der Welt. Forchheim diskutiert um einen Namen, in Europa diskutieren wir den Brexit, woanders will einer eine Mauer bauen. Mit dem Slogan „Take back control“ warben einst die Brexit-Anhänger für den Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Mit der Hoffnung auf vermeintliche Selbstbestimmung in einer immer globaler agierenden Welt haben die Bürgerinnen und Bürger Großbritanniens schließlich für den Brexit gestimmt. Von denen, die den Brexit einst so heißblütig forderten, trägt jedoch heute keiner mehr Verantwortung. Ich halte die Entscheidung des britischen Volkes für falsch – respektiere aber diese Entscheidung. Nun gilt es den Weg zu finden, diese Entscheidung politisch realisieren zu können. Das Scheitern im Londoner Unterhaus über den verhandelten Ausstiegsvertrag deutet auf den sogenannten harten Brexit am 29. März hin. Wir könnten es auch unkontrollierten Brexit nennen – um noch einmal herauszuarbeiten, dass die Kontrolle eigentlich der ursprüngliche Antriebspunkt war. Dabei stehen sich beide Lager, die Brexit-Befürworter und die Brexit-Gegner, die gerne ein neues Referendum durchführen wollen, zusehends unversöhnlich gegenüber. Aus dieser Unversöhnlichkeit werden aber schnell auch verbale Attacken – der Ton wird rauer. Die einen pushen sich gegenseitig in ihrer Sichtweise, die anderen tun dasselbe – nur eben aus der anderen Sichtweise. Aber zwischen beiden Lagern gibt es nur wenig bis keinen Austausch.

Es scheint, als würden allerorten die Diskurse eskalieren. Da wird billigend ein „Shutdown“ ins Kalkül genommen, der einen ganzen Kontinent lähmt. Der Kompromiss scheint nichts mehr zu zählen. Der Wunsch nach Gemeinsamkeit und Einigung steht nicht mehr im Vordergrund.

Für Forchheim wünsche ich mir, dass wir einen gemeinsamen Namen finden. Einen Namen, der uns verbindet und wieder eint. Gleichzeitig bitte ich darum, diejenigen die das eine und auch diejenigen, die das andere befürworten, sich nicht gegenseitig zu verurteilen, sich nicht gegenseitig zu schmähen und sich erst recht nicht gegenseitig anzupöbeln. Ich bitte darum, dem jeweils anderen zuzuhören, miteinander im Gespräch zu bleiben und sich mit Respekt zu begegnen.

Anderes Beispiel: in Schweinfurt läuft zur Stunde ein Bürgerbegehren zur Landesgartenschau 2026. Ausgang noch unbekannt. Für das Jahr 2026 hatte auch Forchheim eine überzeugende Bewerbung abgegeben. Unsere Bürgerbeteiligung bereits im Bewerbungsverfahren und noch vor dem notwendigen Beschluss im Stadtrat war, wie ich finde, vorbildhaft. Vielleicht bekommt ja Forchheim erneut die Chance?

Gerade 2019 Europa zu thematisieren ist richtig und notwendig. Nationale Kräfte und Bestrebungen in Europa werden immer lauter. Noch vor wenigen Wochen hatten sich einige bereits positioniert und öffentlich das Ende des „geordneten Multilateralismus“ verkündet. 2019 wählen wir eine neue Zusammensetzung des europäischen Parlaments. Deshalb darf ich heute schon einmal aufrufen und Sie darum bitten, am 26. Mai Ihre Stimme für ein demokratisches Europa abzugeben.

Sie sehen, das Jahr 2019 hat genügend Potenzial für einige turbulente Punkte, die mitunter weitreichende Veränderungen nach sich ziehen könnten. Nun haben wir heute Abend mit Herrn Prof. Dr. Joachim Hornegger, den ich ganz besonders willkommen heißen darf, einen Ehrengast unter uns, der als Universitätspräsident natürlich ein Thema in ganz besonderer Weise verkörpert: Bildung.

Bildung ist ein Thema, das uns alle gemeinsam umtreibt. Wie schaffen wir gleichwertige Bildungsangebote? Haben wir für alle dieselben Bildungschancen? Gerade bei den Bildungschancen kommt den Kommunen eine essentielle Aufgabe zu. So auch in Forchheim. Wie sichern wir frühkindliche Bildungsangebote und gute Schulbildung für unsere Kinder? Die Ausstattung von Schulen ist dabei vielleicht nur ein kleines Beispiel – aber die Lernumgebung ist maßgeblich für den Lernerfolg. Das wissen wir aus zahlreichen Studien. Das wird ergänzt durch Ganztagesangebote. Hier hat Forchheim bereits ein flächendeckendes Angebot geschaffen. Dieses wandelt sich derzeit von der Mittagsbetreuung hin zur offenen Ganztagesschule. Für Forchheim und alle Gemeinden und Städte fordere ich den Freistaat auf, auch in diesem Bereich eine entsprechende Förderung sicherzustellen – das kann und darf nicht alleinige Aufgabe der Kommunen sein.

Bleiben wir aber gedanklich noch ein bisschen bei der Schulbildung. Während nur wenige von uns Universitätspräsident werden können, haben wir alle eine Schule besucht. Denken wir an unsere eigene Schulzeit zurück, mögen da positive wie vielleicht auch weniger positive Erinnerungen hochkommen. Eine positive Erinnerungen sind aber bestimmt die Mitschülerinnen und Mitschüler, mit denen wir oft viele Jahre gemeinsam durchlebt haben. Wir tragen in uns ein untrügliches Gespür für den Nächsten. Wem fühle ich mich verbunden? Wem bin ich nahe? Mit wem teile ich Ideen und Vorstellungen? Haben wir gemeinsame Werte? Wir haben bereits in jungen Jahren Freundschaften geschlossen, von denen vielleicht einige bis heute gehalten haben. Das sind echte Lebensbünde. Das klappt auch schon in der 1. Klasse vielleicht aber auch schon im Kindergarten.

Das zeigt sich aus meiner Sicht am besten und deutlichstem bei einem Klassentreffen, nach dem die Schulzeit schon lange zurück liegt. Denken Sie bitte an Ihr eigenes Klassentreffen. Egal ob nach 20, 25 oder 40 Jahren: wir kommen an einen gemeinsamen Ort zurück und treffen unsere Kameradinnen und Kameraden von einst. Einige davon hatten wir damals in unser Herz geschlossen, aber irgendwie dann doch wieder aus den Augen verloren. Umso größer die Freude auf ein Wiedersehen.

Der Abend des Klassentreffens beginnt stets offen und neugierig. Die vergangenen Jahre haben bei allen von uns einige Spuren hinterlassen – manch einer hat dann doch das eine oder andere graue Haar bekommen. Manchmal rätseln wir: wer steht da eigentlich vor mir? „Katharina, bist du das?“ fragen wir uns manchmal in Gedanken, manchmal aber auch laut. Aber mit der Freude und der Neugier auf die Erzählungen und Erlebnisse unserer Freundinnen und Freunde begegnen wir jedem mit offenem Herzen. Wir erzählen von Familie, Ehe, Hausbau, Kinder, Beruf, Urlaube. Was ist alles passiert seit unserem Abschluss oder seit unserem letzten Wiedersehen? Wir reden miteinander. Wir sind im Dialog mit allen, die heute gekommen sind. Egal, ob wir sie früher mochten oder nicht.

Eines passiert aber bei jedem Klassentreffen – der Blick zurück: „weißt du noch, …?“ So beginnen dann viele Gespräche in den nun kleineren Gruppen. Es wird viel gelacht und vielleicht auch etwas dazu getrunken. Der Abend nimmt seinen vergnüglichen Lauf.

Den nun folgenden Moment sollten Sie nicht unbeachtet lassen. Denn hier beobachten wir ein interessantes Phänomen: Je später der Abend, desto stärker die Gruppenbildung wie früher. Die Coolen, die damals auf dem Pausenhof geraucht hatten, stehen zusammen. Von ihnen raucht heute keiner mehr. Genauso die einstigen Nerds. Oder die damaligen Streber. Die Beliebten sind auch heute noch beliebt. Die Außenseiter? Nun, die sind um diese Uhrzeit schon lange zuhause.

Wir sehen: die Freundschaften von früher – auch nach langer Pause – halten bis heute fort oder würden wir heute genauso wieder schließen. Wen wir früher gut fanden, finden wir heute immer noch oder wieder gut. Die, die wir früher nicht mochten, finden wir auch heute noch unsympathisch. Das kennen wir als sogenannte „Peergroup“. Das ist die Gruppe der Gleichgesinnten. In ihr fühlen wir uns wohl. Sie gibt uns Halt und bestärkt uns in unserem Denken. Innere Widersprüche gibt es kaum bis gar nicht.

Heute, im Zeitalter von Social Media und Co., hat dieses Phänomen einen neuen Namen. Das Prinzip ist aber seit Jahrhunderten immer noch dasselbe. Heute heißt das „Filterblase“ und wird in den sozialen Medien algorithmisch unterstützt, ja geradezu untermauert. In meiner Timeline wird mir nur das angezeigt, was ohnehin meine Meinung ist. Ich fühle mich bestärkt. Ich glaube, dass alle Welt um mich herum so denkt wie ich. Aber so ist das nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für das neue Jahr 2019, wünsche ich Ihnen vor allem Gesundheit und Liebe – der ganze Rest kommt dann von allein. Für das neue Jahr gilt es natürlich auch einen guten Vorsatz zu haben. Deshalb möchte ich Ihnen gerne einen Gedanken mit auf den Weg geben, bevor ich das Wort an Professor Hornegger weiterreichen darf:

Denken Sie immer an den Beginn des Klassentreffens: reden Sie mit allen Menschen. Auch mit denen, die eine andere Meinung haben. So gelingt unser Zusammenleben. Davon lebt unsere Stadtgesellschaft. Alles Gute.

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