Am 2. Mai durfte ich auf mein erstes Jahr als Oberbürgermeister zurück blicken. Im Rahmen der Jahreshauptversammlung der SPD Forchheim habe ich einen kurzen Abriss über die letzten 13 Monate gegeben und Bilanz gezogen.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde der SPD,
Vor wenigen Tagen. 29. April. Samstag. Später Nachmittag, so etwa Dreiviertel Fünf. Ich gehe zu Fuß durch die Stadt in Richtung Rathaus. Ich komme gerade vom Besuch des Kinderfestes der Türkischen Gemeinde. Etwa auf Höhe des Rathausplatzes treffe ich zwei Herren. Die beiden Herren scheinen in ein Streitgespräch verwickelt zu sein – die Stimmung scheint etwas aufgehetzt. Also sage ich, als ich mich nähere freundlich "Grüß Gott". Mein Grüßen wird erwidert. Die beiden debattieren weiter. Etwa 10 Meter später höre ich: "Sie sind doch der Oberbürgermeister!" Ich gehe zurück, bestätige und schon sind wir einem Gespräch, das beispielhafter nicht sein könnte.
Kurzer Austausch über dies und das und schließlich sind wir beim Thema "Parkplätze" in der Innenstadt im Allgemeinen und in der Wallstraße im Besonderen. Es stellt sich heraus, dass die beiden Herren in der Nähe wohnen und keinen Parkplatz haben. Die Stadt soll den bauen. Ich möge mich darum kümmern.
Eine durchaus typische Begebenheit.
Das passiert aber zu einer Zeit, in der die Tiefgarage am Paradeplatz gerade seit 3 Tagen wieder offen ist. Seit Schließung der Tiefgarage habe ich jeden Tag mindestens zwei solcher Gespräche geführt. Mit Besuchern, mit Gästen, mit Anwohnern, mit Arbeitnehmern, mit den Händlern und Gewerbetreibenden und auch mit pflegenden Angehörigen. Jeden Tag.
Jeden Tag, bis wir im Mai letztes Jahr (PLUA 10.05.2016, StR 31.05.2016) zusätzliche Stellplätze auf dem Paradeplatz beschlossen haben. Seither hatte ich genau zwei Gespräche zum Thema Parkplätze in der Innenstadt. 20 Parkplätze erstellt und die Diskussionen waren Geschichte.
Und schon sind wir mitten im Thema.
Und das Thema ist übrigens nicht Parkplätze. Das Thema ist Gemecker. Was mache ich eigentlich, wenn ich nichts zu meckern habe? Witzigerweise sagte ein guter Freund zu mir genau am Tag nach der Wiedereröffnung der Tiefgarage, dass ich das nicht machen könne: denn worüber sollte man dann denn meckern?
Meine Antwort – und manchmal habe ich schlagfertige Momente: dafür hätte ich ja noch genügend Ampeln installiert und die Straßen mache ich auch dreckig. Da wird schon noch was zum Meckern übrig bleiben.
Apropos "Schmutzige Straßen". Auch das kam im Stadtrat öfter unter dem abschließenden Tagesordnungspunkt "Sonstiges": man möge doch bitte dafür Sorge tragen, dass die Bahnbaustelle die Straßen nicht so arg verschmutze.
Abgemacht. Sinnvoll.
Also, im Übrigen auf Kosten und Veranlassung der Bahn – sie sind ja auch Verursacher der Baustelle – werden Kehrmaschinen beauftragt. Zwei Tage später klingelt das Telefon: eine Bürgerin beschwert sich lautstark darüber, dass so viele Kehrmaschinen rumfahren – man käme ja gar nicht mehr zügig durch die Stadt. Das wäre ein Unding.
Mit diesen beiden Anekdötchen will ich nur zwei Dinge zeigen: * Gemeckert wird immer und * man kann es nicht allen recht machen.
Das ist aber auch nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist aber auch nicht das Parkverbot für den Nachbarn zu organisieren, dass der seine Mülltonnen nicht zu weit auf mein Grundstück stellt. Oder noch viel besser: dass beim Hausbau, die Stadt – also ich – dem Bauträger, der den Bau organisiert und durchführt, erklären soll, dass die Eigentümergemeinschaft den Fahrradraum gerne woanders hätte.
Meine Aufgabe ist, die Stadt als Ganzes zu sehen – alle ihre Bewohner, alle ihre Vereine, all ihr ehrenamtliches Engagement. D.h. ich kann nicht einen Verein bevorzugen und andere vernachlässigen. Mir steht es nicht zu darüber zu befinden, ob der Vereinszweck und das Ziel eines Vereins sinnvoll oder notwendig oder gut oder schlecht ist. Ich bin auch nicht Streitschlichter zwischen benachbarten Parzellenpächtern im Kleingartenverein.
Aber wenn ein Verein nicht mehr kann oder keine Mitglieder hat, dann ist es eben vorbei. Aus die Maus. Die Stadt hat nicht die Aufgabe etwas, das scheinbar niemanden mehr so richtig interessiert am Leben zu halten.
Aber oftmals, und das musste ich im letzten Jahr lernen, ist es gar nicht so, dass es da keine Interessen und Interessenten gäbe. Es ist vielmehr so, dass man die Arbeit gerne auf die Stadt abwälzt – auf städtische Angestellte, um genau zu sein.
Ein Anspruchsdenken, das ich so noch nie in meinem Leben erlebt habe. Dreist ist das.
Begründung ist dann schnell: das war schon immer so. Das haben wir schon oft so gemacht. Oder bei Einladungen von Vereinen: der OB ist jedes Jahr zu uns gekommen. Kurz nachgefragt an anderer Stelle: das war natürlich gelogen.
Leider, und das ist etwas, was ich nicht toleriere: das gilt auch für die eigenen Reihen. Jetzt, wo ich ja den OB kenne, kann der doch mal eben hier und eben dort.
Nein, kann er eben nicht.
Der politische Wechsel begründet sich doch nicht darin, dass jetzt einfach mal "die anderen" am Drücker sind – und sonst ist alles wie bisher.
Das ist nicht meine Vorstellung von Gerechtigkeit.
Und schon sind wir dabei, was macht der OB eigentlich so alles? "Den sieht man ja nie!", "der kommt nie vorbei", "macht an den Wochenenden und Abends nie Termine". Solche Aussagen und Gerüchte kursieren übrigens auch gerne unter uns Genossen. Ein paar Eckdaten gefällig?
Ja, ich bin ein Fan von Zahlen und Statistiken. Aber noch wichtiger ist für mich der Inhalt. Es soll ja auch was dabei herumkommen, oder?
Also ein kleiner Blick zurück: am 6. Januar 2016 hatte ich bei meiner Nominierung folgende neun Themen adressiert (komplettes Redemanuskript zum Nachlesen):
Ich hatte die Reform für dringend notwendig gehalten. Nach vielen hitzigen Debatten um die "heilige Kuh" des Baulandmodell ist inzwischen klar: der Reformbedarf wird nun weithin von allen Seiten anerkannt. Das ist doch ein großer Fortschritt, denn das war vor etwas mehr als einem Jahr noch absolut undenkbar.
Ich hatte mich klar gegen dieses Vorhaben positioniert. Das ist auch unverändert meine Grundhaltung. Nach einigem hin-und-her ist die Ostspange wieder im vordringlichen Bedarf eingestuft. Erklärungen dazu sind nicht nachvollziehbar, denn die Parameter sind immer noch dieselben. Unterm Strich bleibt: nicht geschafft.
Ich hatte mich klar für eine Fusion der beiden Kliniken ausgesprochen. Zunächst aber durfte ich einen neuen Klinikchef suchen. Dazu habe ich erstmal das verfahrene Verfahren wieder auf Spur gesetzt. Ich bin fest davon überzeugt: wir haben den besten Klinikchef bekommen! Ich habe die Gespräche mit Landkreis wieder aufgenommen, erstmals seit Jahren waren wir wieder gemeinsam zu Gesprächen beim Bayerischen Gesundheitsministerium in München. Stadt und Landkreis haben dann im November 2016 ein Eckpunktepapier gemeinsam verabschiedet. Kurzum: in dem Jahr ist so viel passiert wie in den letzten 20 Jahren nicht.
Im 3. Quartal werden die Hotspots installiert. Beschlossen! Und übrigens nicht dieses Söder-WLAN, was nichts kann und ein reiner Lobby-Akt für vodafone war und ist.
Das erste Institut kommt ins Medical Valley Center. Beschlossen.
Wir haben den "Fachplan Wohnen" verabschiedet. Wo liegen überhaupt mögliche Wohngebiet im Stadtgebiet? Klarer Plan dazu ist beschlossen. Zusätzlich haben wir mit der "Forchheimer Mischung" erstmals fest den Geschosswohnungsbau als Aufgabe festgeschrieben. Ein wichtiger Schritt für mehr Gerechtigkeit. Beschlossen.
Es wurde das Einzelhandelskonzept fortgeschrieben. Erstmals haben wir mit der "Forchheimer Liste" einen klaren Handlungsspielraum erstellt, der die Innenstadt nachhaltig stärken wird. Beschlossen.
Es wurden Förderrichtlinien für die zukünftige Kulturarbeit vorgestellt. Jüngst aber vom Stadtrat verschoben. Übrigens, die vorgestellten Richtlinien sind gar nicht so revolutionär wie alle denken. Im Grunde sind sie den Richtlinien, die der frühere Kulturbeauftragte zu Papier gebracht hat, sehr ähnlich. Die wurden vom Stadtrat beschlossen – leider hat sich nur nie jemand dran gehalten. Nicht mal der Verfasser selbst.
Wir haben die besten Köpfe in unserer Verwaltung! Ich nutze die eigenen Ressourcen konsequent. Lieber aber hört man auf externe Fachberater, was dazu führt, dass der Stadtrat mehrheitlich Vorlagen der Verwaltung vertagt oder gleich ablehnt.
Und was ist noch passiert?
Aber es stehen noch harte Stücke aus.
ISEK. Das integrierte Stadtentwicklungskonzept. Das dümpelte seit Jahren in der Schublade, keiner hatte Lust dazu. Keiner will mehr daran was machen – aber irgendwie brauchen wir es halt doch. Also hat man einen externen Fachberater beauftragter, damit der – für teures Geld – die Ideen zusammenschreibt. Gesagt, getan. Der Fachberater macht das in vielen Kommunen und hat das schon in zahlreichen Kommunen erfolgreich gemacht.
Nur in Forchheim geht es nicht. Der Weg dahin sei unklar. Was wollen eigentlich die Bürgerinnen und Bürger? Was wollen eigentlich die Stadträte?
Alles schon dagewesen. Alles schon fertig. Zeitpläne werden erst verschoben, dann gestreckt, schließlich im Stadtrat rundweg abgelehnt.
Nochmal zur Verdeutlichung. Wenn wir kein beschlossenes ISEK haben, bekommen wir keinerlei Fördermittel. Das glaubt man mir nicht, das glaubt man meiner Stadtplanung nicht. Man ignoriert das geflissentlich.
Warum sage ich das? Weil im Rathaus begonnen wurde, ohne etwas zu wissen. Die Geschichte des Rathauses beginnt mit ersten Untersuchungen zum Zustand bereits 2013. 2013!
Zugegeben. Zunächst als Bauunterhalt. Erst im Verlauf wurde klar, dass wir irgendwann von einer Generalsanierung sprechen. Dennoch wurde ohne Plan im 2016er-Haushalt 800T€ bereitgestellt. Für die Folgejahre je 6,35 Mio.€ (für 2017 und 2018). Ohne zu wissen, was da auf uns zukommt.
Was auf uns zukommt, ist die Frage, die in der sog. Leistungsphase - untersucht wird. Das können wir übrigens selbst machen! Haben wir auch in Sachen Kolpinghaus so gemacht. Kann man aber auch extern vergeben.
Am 13. Juni 2016 bekommen wir den Hinweis von der Regierung von Oberfranken – den freundlichen Hinweis, dass wir:
Also? Was machen wir? Stadtplanungsamt gibt Vollgas in Sachen ISEK. Die Kämmerei stellt umgehend den Antrag auf vorzeitigen Maßnahmenbeginn. Ich forciere die Nutzungsfrage.
Die Projektleitung macht etwas anderes. Von den externen Fachplanern kann sich meine Verwaltung nichts abschauen, weil niemand in der Verwaltung sonst die Pläne und Ideen kennt.
Und da komme ich wieder darauf zurück, dass wir in unserer Stadtverwaltung tolle und herausragende und fähige Fachleute haben. Die können das! Die haben das alles gelernt! Aber nein, die fragen wir ja nicht einmal.
Doch. Ich frage sie.
Und das werde ich auch weiterhin tun. Warum? Weil meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute Ideen mitbringen. Wir haben eine Basis geschaffen und gefunden, in der wir miteinander mit unseren Ideen spielen. Weiterentwickeln. Verwerfen. Verbessern. Verfeinern. Oder auch wieder hervorholen.
In diesen Experten – die schon da sind, die wir bezahlen, die motiviert sind, die sich einbringen und entwickeln wollen – entstehen die besten Ideen für unsere Stadt. Davon bin ich fest überzeugt.
Ich kann euch sagen: dieser kreative Prozess macht richtig Laune!
Jetzt geht es ja im Mai weiter mit der erweiterten Planungsgruppe zum Rathaus, d.h. die externen Fachplaner sind mit dabei. Das haben wir im Stadtrat ja so beschlossen. Der hat das jetzt ja für dringlich erklärt – aber im Haushalt 2017 war es demselben Stadtrat im März nicht so dringlich. Da wurden die ohnehin reduzierten Mittel (von 6,3 Mio.€ auf 700T€) nochmal über die Hälfte gekürzt. Damit dürften wir im Wesentlichen vermutlich die bestehenden Altverträge erfüllen. Viel Neues wird da dieses Jahr wohl nicht kommen.
Es sei denn, wir machen das doch selbst.
Ich befürchte, darauf läuft es hinaus. Und ich denke, das ist ein ganz gutes Schlusswort für heute und wir sind gedanklich wieder beim Beginn meiner Ausführung.
Die Stadt muss es machen.
Also: Wenn wir es nicht machen, macht es keiner.
Redemanuskript vom 02.05.2017 (PDF, 84 kB) als Download.
Rückblick Nominierung: Redemanuskript vom 06.01.2016 (PDF, 79 kB)